Zum Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus

Erinnerung an ehemalige Schülerinnen unserer Schule und ihre Familien, die Opfer nationalsozialistischer Gewalt wurden

 

Stellvertretend für alle hier ein kurzer Bericht über das Schicksal von Doris Schönberger (Schülerin unserer Schule), Johanna Schönberger (ihre Mutter), Bertha und Johanette Schönbeger (ihre Tanten)

Doris Schönberger wurde am 8.3.1920 als Tochter des Weingroßhändlers Arthur Schönberger und seiner Frau Johanna in Mainz geboren. Sie war damals das jüngste Mitglied einer alt eingesessenen Weinhändler- und Sekthersteller-Familie. Ihr Großvater und ihre Großmutter sowie ihr Onkel Isaak Eugen hatten ein wirtschaftlich erfolgreiches noch expandierendes Unternehmen aufgebaut, das zeitweise auch von ihrer Tante Bertha als Prokuristin mit geleitet wurde.

Nach der Grundschulzeit besuchte Doris die Höhere Mädchenschule (das heutige Frauenlob-Gymnasium) von 1929 bis 1935. Sie war eine der letzten jüdischen Schülerinnen, die die Schule verließen. In dieser Zeit wohnte die Familie in der Walpodenstr. 5, wo wie auch in der Nr. 10 die Sektkellerei untergebracht war. Doris begann eine Ausbildung als Krankenschwester. Ein Studium war für jüdische Bürger zu dieser Zeit schon nicht mehr möglich, ihr Bruder Egon studierte daher in der Schweiz Jura.

Seit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten war die Familie fortgesetzten Repressalien ausgesetzt. In der Pogromnacht 1938 schließlich wurde die Privatwohnung in der Walpodenstraße verwüstet und geplündert und der Besitz der Familie „arisiert“. Das bedeutete, dass die Schönbergers ihren Besitz zwangsweise und weit unter Wert verkaufen mussten. Jetzt wurde in der Familie mit Vehemenz die Flucht geplant, Doris Vater war vor drei Jahren gestorben, so floh Doris mit ihrer Mutter, ihrem Onkel Eugen und ihrer Tante Edith 1939 ins vermeintlich sichere Frankreich, wo Doris und Johanna aber nach dem Einmarsch deutscher Truppen aufgegriffen und im Lager Gurs inhaftiert wurden.

Wenn man den Sätzen aus Doris Schönbergers Brief aus dieser Zeit Glauben schenkt und die Aussagen eines Zeugen liest, haben Mutter und Tochter sich sehr gut verstanden und versucht, das Beste aus ihrer Situation zu machen. Es gelang ihnen, den langen harten Winter 1940/41 zu überleben (800 Häftlinge starben). Im März 1941 feierte Doris ihren 21. Geburtstag im Lager. Sie schreibt, für die augenblickliche Lage sei ihr Geburtstag (groß) gefeiert worden. Sie versichert, dass ihr Gesundheitszustand und der ihrer Mutter zufriedenstellend sei. Sie sagt, sie versuche „jeden Tag  irgendetwas lustig zu finden“, eine Überlebensstrategie in einem Lager, in dem man vom Tod bedroht ist. Doris arbeitete im Lager als Krankenpflegerin auf der Krankenstation und war sich nach Zeugenaussagen dem Ernst ihrer Lage bewusst. Mehrere Briefe schreiben Mutter und Tochter an den Bruder und Sohn Egon nach Neuseeland. Im Sommer 1942 bricht der Kontakt ab. Erst fünf Jahre später erfährt Egon Schönberger den Grund: Im August wurden Doris und Johanna in das Sammellager Drancy gebracht und von da aus zwei Monate später nach Auschwitz deportiert. Dort wurden beide ermordet. Doris war 22 Jahre alt.

Bertha Schönberger, Doris Tante, die älteste Schwester der Familie war jahrelang in der Firmenleitung tätig. 1938 musste sie von allen Posten zurücktreten., wurde somit aus der Firmenleitung entfernt und erlebte die wachsende Ausgrenzung, Demütigung und Entrechtung. So musste sie mit ihrer Schwester Johanette in ein Ghettohaus, ein sogenanntes „Judenhaus“ ziehen, wo sie zusammen mit Berthel Bamberger auf engstem Raum lebten. Sie nahm sich am 18.August 1942 das Leben.

Dies tat auch ihre Schwester Johanette, Jenny, als sie erfuhr, dass ihr Name auf der Deportationsliste für den nächsten Transport in ein Konzentrationslager stand.

 

Veranstaltungshinweis: Visiting the Past – Von New York nach Essenheim

Der Film begleitet Joan Salomon (Tochter einer ehemaligen Schülerin der Höheren Mädchenschule) aus New York bei einem Besuch in Essenheim (bei Mainz). Es geht um die Suche nach Heimat und den eigenen Wurzeln. Der Film erzählt Geschichte, ein Stück Zeitgeschichte im Kleinen, und hält Erinnerungen fest, die bald verloren sein werden, weil niemand sie mehr erzählen kann.

Die Veranstaltung findet in Kooperation mit dem Ernst-Bloch-Zentrum Ludwigshafen statt. Im Rahmen der Veranstaltung wird der Film „Visiting the Past“ zum kostenlosen Streaming zur Verfügung stehen, anschließend diskutieren wir auf dem virtuellen Podium mit der Filmemacherin Barbara Trottnow und weiteren Gesprächspartnern.

Mehr Infos zur Veranstaltung finden Sie in der pdf-Version der Einladung.

Anmelden können Sie sich direkt über diesen Anmeldelink oder per E-Mail an: mainz@fes.de.

 

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