"Der Lehreralltag ist ganz schön hart"

Die Erfahrungen während des FSJs helfen jungen Menschen zu entscheiden, ob sie wirklich Pädagogik oder Lehramt studieren wollen.

Von Christiane Bertelsmann - Süddeutsche Zeitung vom 16.03.2018

Die Schüler des Frauenlob-Gymnasiums Mainz besuchen alle zwei Wochen immer mittwochs in ihrer Mittagspause Museen, erkunden per Geocoaching ihre Stadt oder gehen manchmal einfach Eis essen. Das verdanken sie zwei jungen Frauen: Hajar Yamado, 21, und Caylee Schwenk, 22, haben während ihres Freiwilligen Sozialen Jahrs (FSJ) an der Mainzer Schule das Projekt "Frauenlob-Gymnasium on Tour" etabliert.

Wie ein Großteil der Schulen in Rheinland-Pfalz ist auch das Frauenlob-Gymnasium eine Ganztagsschule: Nach einer 90-minütigen Mittagspause geht der Unterricht am Nachmittag weiter. In dieser Mittagspause, dem "Mittagsgürtel", wie diese Zeit schulintern heißt, können die Schüler Wahlangebote nutzen - von Bouldern über "Ringen und Raufen" bis zum Bienenprojekt oder eben der Tour durch Mainz, Treffpunkt: Chill-Raum. Sven Thomas, Deutsch-und Sportlehrer am Frauenlob-Gymnasium, koordiniert die insgesamt fast 40 Angebote und den Ganztagsbetrieb. "Seit acht Jahren, also mit Einführung des Ganztagsschulbetriebs, unterstützen uns Freiwillige in diesem Bereich", sagt Thomas. "Sie helfen in der Bibliothek, in den unterrichtsvertiefenden Lernzeiten und natürlich bei den Wahlkursen im Ganztagsbereich, gehen mit den jüngeren Schülern zum Mittagessen oder begleiten sie zu Angeboten, die nicht in unserer Schule stattfinden." Bis zu 20 Freiwillige bewerben sich pro Jahr auf die zwei bis vier Stellen an seiner Schule. "Die Erfahrungen mit den FSJlern sind sehr unterschiedlich", sagt Koordinator Thomas, "von Riesenhilfe bis zu großem Betreuungsaufwand".

Yamado, deren FSJ ein Jahr zurückliegt, hatte sich gleich nach dem Abitur für ein Freiwilligenjahr an einer Schule entschieden. "Schule ist ein angenehmer Ort, es ist da lustig und lebhaft", meint sie, "außerdem wollte ich ausprobieren, wie es ist, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten." Inzwischen studiert sie Soziale Arbeit an der Katholischen Hochschule in Mainz. Dass sie später mit Jugendlichen arbeiten will, steht für sie fest. "Viele unserer Freiwilligen wollen in den pädagogischen Bereich", sagt Pascal Schmitt vom Kulturbüro Rheinland-Pfalz, der Trägerorganisation. "Manche merken aber auch während ihres FSJ an der Schule, dass das für sie doch nicht so gut passt." In einer Umfrage des Kulturbüros gaben immerhin 51 Prozent der Befragten an, nach dem FSJ beruflich in Richtung Pädagogik zu tendieren, 14 Prozent entschieden sich klar gegen die pädagogische Arbeit, der Rest war unentschlossen - sowohl ob der pädagogische Bereich zu ihnen passt als auch überhaupt, was ihre berufliche Zukunft angeht.

Für Tino Theumer ist schon jetzt klar, dass es nicht in Richtung Lehramtsstudium gehen wird. Der 19-Jährige steckt gerade mitten in seinem FSJ an der Sekundar- und Gemeinschaftsschule Kastanienallee in Halle-Neustadt. "Am Anfang hätte ich mir schon vorstellen können, Lehramt zu studieren. Jetzt nicht mehr. Die Kids sind super. Aber der Lehreralltag ist ganz schön hart", hat er festgestellt. "Die Situation an unserer Schule ist oft ziemlich herausfordernd", räumt seine Betreuerin Lavinia Liedtke ein, die an der Schule Mathe, Deutsch und Sport unterrichtet. "Bei uns lernen Schüler aus fast 30 Nationen, die unterschiedlich gut Deutsch können. Dazu kommen Schüler mit Förderbedarf. Wir Lehrerinnen und Lehrer müssen manchmal ziemlich kämpfen, um allen Kindern gerecht zu werden." Theumer kann sich inzwischen gut vorstellen, nach dem FSJ Kunstpädagogik zu studieren. Er hat mit Schülern Faschingsmasken gebastelt oder ihnen nahegebracht, wie man Comics zeichnet - das war genau seine Welt. "Wir als Träger wollen, dass die Freiwilligen danach eine Idee haben, was sie für ihr Leben wollen", sagt Pascal Schmitt vom Kulturbüro. Im Fall von Tino Theumer: Ziel erreicht. Schmitt sieht eine der größten Herausforderungen für die Freiwilligen darin, den Rollenwechsel hinzubekommen: Raus aus der Schülerrolle, die meist noch gar nicht lange zurückliegt, hin zur Lehrerrolle oder jedenfalls zu etwas dazwischen. Hajar Yamado hatte damit keine großen Probleme: "Eben weil wir keine Lehrerinnen sind, haben uns die Schüler Sachen erzählt, von denen die Lehrer nichts wussten", sagt sie. Respekt sei trotzdem da gewesen - auch weil sie zu Anfang darauf bestanden hätten, von den Schülern gesiezt zu werden.

Noch sind der Großteil der Freiwilligen, die ein FSJ an einer Schule absolvieren, Abiturienten. "Ich würde mir wünschen, dass auch jüngere Schüler häufiger die Chance dazu bekommen", sagt Pascal Schmitt, "Wer mit 16 oder 17 in den Freiwilligendienst geht, macht einen unglaublichen Entwicklungsschub. Jeder und jede, die ich betreut habe, kommt nach dem Jahr gestärkt raus."

 

 

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